Studenten, Lützower, Burschenschaftler

Wichtiger Teil der nach der totalen Niederlage Preußens 1806 notwendig gewordenen umfassenden Reform von Staat und Gesellschaft war die Militärreform. Unter Führung durch so großartige Persönlichkeiten wie Gerhard von Scharnhorst, August Neidhardt von Gneisenau und Hermann von Boyen wurde die Söldnerarmee des Spätabsolutismus durch eine Armee abgelöst, deren Soldaten zu den „geborenen Verteidigern“ des Vaterlandes wurden. Zu den vielen Maßnahmen in diesem Zusammenhang, gehörte auch die Schaffung von Freikorps.

 

 

„Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn und sein Partner beim Aufbau des Turnvereins in Berlin, Karl Friedrich Friesen, beide Mitglieder im 1813 äußerst populären Lützower Freikorps, gelten auch als Schöpfer des burschenschaftlichen Gedankens. Sie orientierten auf die moralische Besserung des vielerorts entarteten Studenten- und Verbindungslebens sowie die Belebung des patriotischen Sinns der deutschen Studenten angesichts der französischen Fremdherrschaft.

 

Diese Ideen lösten an vielen deutschen Hochschulen und Universitäten große patriotische Begeisterung aus und entwickelten sich zum Fanal einer Befreiungsbewegung. Nach der Erhebung Preußens gegen Napoleon I. im Frühjahr 1813 strömten neben zahlreichen anderen Freiwilligen auch viele nichtpreußische Studenten zu den Fahnen. Es waren aber lange nicht so viele, wie die Legende es will. Im Lützower Freikorps waren von etwa 3.800 Mann rund 5 Prozent (188) Studenten.

 

Erst die Teilnahme zahlreicher Gymnasiasten und Studenten an den Befreiungskriegen gegen das napoleonische Frankreich hatte jenen neuen Geist hervorgebracht, der geboten erscheinen ließ, die ersehnte Freiheit der Nation in der Einheit der deutschen Studentenschaft vorwegzunehmen. In der Einheit von Selbsterziehung, Studium und Wehrhaftigkeit wollten die Studenten ein Modell für einen Volksstaat schaffen. Äußerlich wurde das durch die „altdeutsche Tracht“, einen schlichten schwarzen Rock mit Barett und offenem weißen Hemd, demonstriert. Dazu kamen oftmals ein Vollbart und lange Haare wie zur Dürerzeit. Vorbild für diese Kleidung war offensichtlich die Uniform des Lützowschen Freikorps. Bei der Aufstellung diese Korps war aus Mangel an Ausrüstung und Bekleidung die Farbe Schwarz gewählt worden. Einzige Zier bildete an den Röcken und Hosen die rote Litze. Schwarz und Rot wurden dann die Farben der Jenaer Burschenschaft. Im März 1816 überreichten die „Frauen und Jungfrauen“ Jenas den Studenten eine prächtige rot-schwarz-rote Fahne mit einem aufgelegten goldenen Zweig von Eichenlaub. Aus dieser Fahne, deren Vorbild die Uniform der Lützower war, entwickelte sich allmählich das Schwarz-Rot-Gold der deutschen Nationalbewegung.

 

Gründungsort der deutschen Burschenschaften war Jena, wo national gesinnte und freiheitliche geistige Führer wie der Historiker Heinrich Luden, der Philosoph Jacob Friedrich Fries und der Nationalphilosoph Lorenz Oken wirkten. Treibende Kraft war hier die alte Landsmannschaft Vandalia, deren gesamte Aktivitas sich 1813 zum Lützowschen Freikorps gemeldet hatte. Vor allem den ehemaligen Lützowern Karl Horn, im Felde Nebenmann des am 26. August 1813 gefallenen Freiheitsdichters Theodor Körner, und Heinrich Hermann Riemann, dem späteren Hauptredner des „Wartburgfestes“ von 1817, war es zu verdanken, dass die anderen Jenaer Landmannschaften dem Gedanken einer patriotischen Einigung über all bestehenden Gegensätze hinweg zustimmten. Zu den Gründern gehörten auch die ehemaligen Lützower Jäger Karl Hermann Scheidler und Wilhelm Kaffenberger. Am 29. Mai 1816 beschloß der Jenaer Seniorenkonvent die Auflösung der alten Landsmannschaften.

143 Studenten, die Hälfte aller damals in Jena Studierenden, versammelte sich bereits am 12. Juni 1815, um nach einer würdigen Feier die Verfassungsurkunde der Jenaer „Allgemeinen Burschenschaft“ anzunehmen.

Neun von elf Gründern der Burschenschaft hatten dem Lützowschen Freikorps, den „Schwarzen Gesellen“, angehört und im Befreiungsjahr 1813 zusammen mit ihren Mitkämpfern die Erfahrungen gesammelt, um sie nach den Kriegsjahren in den burschenschaftlichen Wahlspruch „Ehre-Freiheit-Vaterland“ einfließen zu lassen.

 

Am 9. Februar 1813 baten die Majore von Lützow, von Helden (gen. Sar­kowski) und von Petersdorff, die alle schon unter Schill gedient hatten und an dessen Aufstandsversuch von 1809 beteiligt waren, in ei­nem Immediatgesuch Preußens König Friedrich Wilhelm III. um die Genehmi­gung zur Errichtung eines Freikorps. Durch „Allerhöchste Kabinetts-Order“ vom 18. Februar 1813 wurde dem Major von Lützow die Errich­tung eines „Königlich Preußischen" (nach seinem Führer gewöhnlich „Lüt­zowschen" genannten) Freikorps gestat­tet, und zwar u. a. mit der Auflage, „schwarze Montirung...nach ...noch zu gebender Vorschrift" zu verwendeten, da dadurch alte vorhandene Kleidungs­stücke noch verwendet werden könnten.

Die schwarze Uniformfarbe war also vornehmlich aus rein praktischen Erwä­gungen gewählt worden, zum einen, da man andersfarbige Kleidungsstücke am besten in Schwarz färben konnte, ande­rerseits war Schwarz damals die vor­herrschende Farbe der Bürgerkleidung. Weiterhin ist zu bedenken, daß die An­gehörigen des Verbandes, der ja anfäng­lich kein Teil der regulären Armee war, nicht über die Geldmittel verfügten, um sich farbenprächtige Uniformen schnei­dern zu lassen. Im Übrigen sollte die schlichte Farbe auch die Opferbereit­schaft der Truppe zum Ausdruck bringen, deutlich den Gegensatz zu den regulären Heeren in ihren „bunten Röcken" hervorhebend.

Schon am 23. Februar 1813 konnte Ge­neralmajor Gerhard von Scharnhorst, ei­ner der führenden Militärformer, Major von Lützow den vom König festgesetz­ten Etat für das Freikorps mitteilen. Für das Freikorps wurde danach die schwarze Farbe ausgewählt und be­stimmt. Die Uniform der Infanterie, der Jäger-Eskadron und der Artillerie des Korps war eine lange mit zwei Reihen gelber Knöpfe besetzte Litewka aus schwarzem Tuch; Kragen, Aufschläge und Achselklappen waren ebenfalls von schwarzem Stoff und hatten eine Ein­fassung aus rotem Tuch. Die schwarzen Hosen hatten rote Biesen. Hinzu kam ein schwarzes Tschako mit einer Messing­-Agraffe und seitwärts herabfallendem Haarbusch bzw. eine schwarze Mütze, ähnlich dem späteren burschenschaftli­chen Barett. Die Husaren- und Ulanen-­Eskadron trugen schwarze Dolmans bzw. Jacken ohne rote Einfassung. Nur die Tiroler Jägerkompanie unter Leutnant Riedl, einem ehemaligen Adjutanten Andreas Hofers, behielt ihre traditionel­le hechtgraue Uniform mit grünen Auf­schlägen und einem aufgeschlagenen runden Hut.

Die preußischen Mitglieder des Freikor­ps führten an der Kopfbedeckung die schwarz-weiße Landeskokarde, die seit der Bestimmung vom 22. Februar 18 13 „in Erwägung, daß die herzerhebende all­gemeine Aeußerung treuer Vaterlands­liebe ein äußeres Kennzeichen derselben für alle Staatsbürger erfordert", alle männlichen preußischen Untertanen am Hut zu tragen hatten. Auch Friedrich Ludwig hat die Uniform der Lützower in einem Brief an seine Braut in ähnlicher Weise, wie eben geschildert, beschrieben. Alles in allem scheint die Ausstattung, zumindest anfangs, recht uneinheitlich, ja oft dürftig gewesen zu sein. Daß aber Schwarz und Rot als die cha­rakterisierenden Farben des Lützow­schen Freikorps galten, geht allein aus verschiedenen Liedern des schon er­wähnten Dichters Theodor Körner her­

vor, z.B.:

 

Lied der schwarzen Jäger

„Noch trauern wir im schwarzen Rächerkleide

Um den gestorbnen Muth,

Doch fragt man euch, was dieses Roth bedeute,

Das deutet Frankenblut.“

 

Der Dichter Immermann, selbst Teil­nehmer der Freiheitskriege, schrieb, daß die Lützower „zum Zeichen, daß alle Farben des deutschen Lebens erst wie­der aufblühen sollen das farblose Schwarz trugen“. Napoleon I. nannte die Lützower „brigands noirs“ (Schwarze Briganten). In Körners wohl berühmtesten Lied „Lützows wil­de, verwegene Jagd" von 1813 ist von „schwarzen Gesellen", „schwarzen Jä­gern", „schwarzen Reitern" usw. die Re­de. Die schönste zeitgenössische farbige Uniformdarstellung stammt von dem Maler Georg Friedrich Kersting, selbst Mitglied des Lützowschen Freikorps. Sein Gemälde „Theodor Körner, Frie­sen und Hartmann auf Vorposten" von 1815 zeigt Friedrich Friesen (nach Körners frühem Tod Lützows persönli­cher Adjutant), den Dichter Körner und Ferdinand Hartmann (ein später be­kannter Porträt- und Historienmaler) - alle in der schwarz-roten Uniform des Lützowschen Freikorps. Eine andere be­kannte farbige Darstellung fertigte der Lützower Oberjäger und passionierte Waidmann Meckel von Hembsbach. Aus späterer Zeit stammen die Illustra­tionen von Kaiser, Knötel und vor allem Hodlers berühmter „Auszug der Jenen­ser Studenten im Jahre 1813", gemalt 1909.

 

Mit der Verweigerung der nationalen Einheit und freiheitlichen Reformen durch die deutschen Fürsten und Könige nach der Niederringung Napoleons geriet auch die deutsche Burschenschaft in immer größeren Gegensatz zum Staat. Die Attentate der Einzeltäter Karl Ludwig Sand und Karl Löning, nutzte der österreichische Staatskanzler Metternich zu einem Gegenschlag –Karlbader Beschlüsse“ –, um die noch junge, aber bestgehaßte deutsche Burschenschaft zu zerschlagen. Die Ideale und Inhalte der vor allem durch die Studenten im Lützower Freikorps geboren Ideen der „Geistes- und Vaterlandsfreiheit“ gerieten während der Zeit der „Demagogenverfolgung“ in weitgehende Vergessenheit. Die Wiedergeburt der „Deutschen Burschenschaft“ gelang aber danach nicht mehr. Die neuen Burschenschaften wurden zu Einzelkorporationen wie Corps und Landsmannschaften.

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