Preußische Feldzugsuniformen 1813‑1815 nach Ludwig Scharf und Genty

Hier werden in loser Folge interessante Beiträge zu verschiedenen Aspekten der Befreiungskriege vorgestellt, die seltenes und wenig bekanntes Material bieten.
 
von Friedrich Herrmann
Mit diesem Beitrag werden die Darstellungen preußischer Soldatentypen der Feldzüge von 1813 bis 1814 nach der zeitgenössischen Quelle "Costumes Militaires‑Troupes Prussiennes" 1815 des Pariser Zeichners Genty und der Serie "Buntes Tuch" von Ludwig Scharf, die als zuverlässige Sekundärquelle zu gelten hat, vorgestellt. Für die Typen nach Scharf standen das betreffende Originalblatt, für drei der Figuren nach Genty ohne Widergabe in Fotokopieform sowie die Beschreibung mit Farbangaben in den "Mitteilungen zur Geschichte der militärischen Tracht" zur Verfügung.


Die Figuren belegen erneut die - im Prinzip hinreichend bekannte - Verwendung von Ersatzstücken englischer Lieferung und andere durch mangelhafte Ausrüstung, Verschleiß und sonstige Umstände bedingte Uniformierungsvarianten.
 
Uniformen 1

Uniformen 2
 
 
Fig. A und C.  Die beiden Typen basieren auf  Blatt 150 der Serie „Buntes Tuch“, das wie folgt beschriftet ist: „Preußen 1813. 1. Bataillon 4. Reserve‑Infanterie-Regiment. Musketier und Bataillonstambour. Quelle: Kriegserinnerungen mit 4 kolorierten Stichen. Berlin 1824". Die stark karikaturistische Manier Ludwig Scharfs wurde hier vom Autor, wenn auch abgemildert, übernommen. Die dunkelblauen Röcke mit roten Kragen, Schulterklappen und Schoßumschlägen lassen durch den einreihigen Schluß, die weißen Granaten in den Schoßumschlagecken und (bei dem Musketier) die weißen Aufschlaglitzen die britische Herkunft erkennen. Wie stark verschlissen die Uniform war, ist an der aus dem Tschako des Musketier heraustretenden Strohfüllung und den Holzpantinen des Bataillonstambours sichtbar. Knöpfe weiß. Rucksack und Brotbeutel sind weißgelb, desgleichen die stark verschmutzten und geflickten Hosen. Die Tabaksbeutel sind braun. Der Bataillonstambour hat weiße Borten an Kragen und Aufschlägen, rote Schwalbennester mit weißem Bortenbesatz. Der braune Stab ist mit goldener Schnur versehen. Strümpfe blau.

Fig.  B.  Diese Type hat in der Serie „Costumes militaires“ die Nummer 22. Sie ist bezeichnet „Landwehr. Officier. Regiment (Grand uniforme)“.
Mütze und Rock dunkelblau. Die Abzeichen (Mützenband, Vorstoß am oberen Mützenrand, Kragen, Aufschläge) sind karmesinrot, würden also der ‑ in der Bezeichnung nicht angegebenen ‑ Provinz Westpreußen entsprechen. Die Knöpfe sind gelb. An der Mütze sind die sehr große schwarz‑weiße Kokarde und die Metallschieneneinfassung des Schirms bemerkenswert. Aufschlagpatten und Epaulettfeld/Schieber sind dunkelblau, die Hosen grau mit karmesinrotem Vorstoß und Knopfbesatz. Säbelgriff und Scheide gelb. Die Figur ist nicht sonderlich interessant, bringt aber eine gute und exakte Darstellung der damaligen Form des Epaulettschiebers, der nach dem Halse zu geradlinig ‑ nicht mit abgeschrägten Ecken ‑ verläuft.

Fig. D. Bei dieser Figur, bei Genty mit Nummer 24 versehen, gelangt Richard Knötel nach einigen Überlegungen zu dem Ergebnis, daß es sich um einen Freiwilligen Jäger des Bergisch‑Münsteraner Landwehr‑Infanterie-Regiments handelt. Die Bezeichnung „Bergisch“ ist freilich erst der letzten Angabe bei Genty, die „Chasseur Brabacon. Belges, Chasseur (G. d. Duche  de Berg)“  lautet, zu entnehmen. Für die Ausdrücke – „Brabacon“ und „Belges“. findet auch R. K. keine Erklärung, sie sind wohl auf die mangelnde Vertrautheit des Pariser Malers mit deutschen territorialen Verhältnissen zurückzuführen, auch ein Großherzogtum Berg bestand ja nicht mehr.

Die hellblauen Abzeichen passen zu dem genannten Bergisch‑Münsteraner Landwehr‑Regiment, für das nach der Elberfelder Bilderhandschrift (Nr. 23c) hellblaue Abzeichen belegt sind, während die westfälische Landwehr bekanntlich grüne Abzeichen hatte. Daß es neben der westfälischen Landwehr auch ein Regiment bergischer Landwehrinfanterie gab, wird durch die „Gesamt‑Iststärken der kgl. Preußischen Armee Mitte Juni 1815“ belegt. Dort ist nach der westfälischen Landwehrinfanterie unter einer eigenen Unterschrift „Bergische Landwehr‑Infanterie“ ein „Bergisches u. Münster. Landwehr‑Infanterieregiment Oberst v. Bose''“ verzeichnet. Ein Vermerk besagt: „die drei Bataillone waren von der sogenannten ‚Bergschen Enklave’ aufgestellt“. So erscheint es erklärlich, daß dieses Regiment eine eigene, von Westfalen abweichende Abzeichenfarbe hatte, die übrigens mit derjenigen der Elblande übereinstimmte.

Der Gesamttypus entspricht bis auf den einreihigen Rockschluß völlig dem der übrigen preußischen Freiwilligen Jäger. Der Tschako ist mit hochgeschlagenen gelben Schuppenketten, einem grünen Busch, grünen Behängen und einem großen gelben Metallschild versehen, dieser ist unten zugespitzt, oben in drei Spitzen auslaufend, mit einem das Schild füllenden Adler. (Tschakoschild allerdings nicht nach preußischer Norm). Dunkelgrünes Kollett mit hellblauem Kragen und Aufschlägen und gelben Knöpfen, rotem Vorstoß vorn herunter und längs der unteren Kante sowie an der Seitennaht der dunkelgrünen Hose. (Farbangabe für Schulterklappen fehlt.) Beschläge am schwarzledernen Bandelier gelbmetallen. Büchse mit schwarzem Schaft und rotem Riemen.

Fig.  E.  Diese bei Genty mit der Nummer 28 versehene Figur hat die Bezeichnung „Bataillons nationaux. Des nouvelles Provinces prussiennes du Rhin". Das dunkelblaue Kollett mit karmesinrotem Kragen und Aufschlägen, gelben Schulterklappen und Knöpfen entspricht preußischer Norm. Die Hose ist dunkelblau, die darunter getragenen kurzen Gamaschen sind schwarz. Mantel und Brotbeutel grauweiß. Der hohe konische Tschako mit schwarz‑weißem Nationale, kleinem rotem Stutz und gelbem, löwenverzierten Schild entstammt natürlich britischer, eigentlich für Spanien bestimmter Lieferung. Bei der karmesinroten Abzeichenfarbe war zunächst an ein westpreußisches Regiment zu denken. Nimmt man hingegen statt des karmesinrot das im Farbton nicht unähnliche krapprot an, so ergäbe sich nach den Bestimmungen vom 31. März 1815 eine klare Übereinstimmung mit der Bezeichnung  „du Rhin". Die gelben Schulterklappen würden auf das 3. rheinische Regiment mit der Abzeichenfarbe krapprot, also das Infanterieregiment Nr. 25, deuten, diese Lösung wird von Richard Knötel als die wahrscheinlichste angenommen. Der Deutung steht der englische Tschako nicht entgegen. Knötel gibt nach Angabe in der Regimentsgeschichte des Infanterie-Regiment Nr. 25 von Stawitzky an, in dem vielfach englische Ersatzstücke getragen wurden. Auch Bock bedient sich in seinem sehr lesenswerten  Aufsatz „Zur äußeren Erscheinung preußischer Truppen im Felde, vornehmlich während der Freiheitskriege“ der gleichen Quelle für seine Angaben betreffend das Infanterie-Regiment Nr. 25 im Feldzug von 1815. Für die sehr buntscheckige Bekleidung war die Zusammensetzung des Regiments aus Mannschaften verschiedenster Herkunft maßgebend, wie sie sich aus einem Schreiben des damaligen Regimentskommandeurs Oberstleutnant v. Leslie an den Generalmajor v. Jagow im Zuge eines Schriftwechsels wegen der zunächst verwehrten Fahnenverleihung ergibt:
Den Stamm bildeten ca. 1000 Mann des früheren Lützowschen Freikorps, hinzu kamen ca. 1000 ungeübte Rekruten des 3. und 10. Ersatzbataillons, die aus dem Halberstädtischen und dem Eichsfeld stammten, sowie 332 Mann aus dem Klevischen, meist frühere französische Soldaten.

Die ehemaligen Lützower waren offensichtlich noch in schwarze Monturen gekleidet, hierzu Bock nach Stawitzky:
„...in derselben Compagnie wurden drei verschiedene Uniformen, die schwarze Lützowsche, die des 3. und 10. Ersatzbataillons nebeneinander getragen… ". „Der Klevische Ersatz ..., der drei Tage vor der Schlacht bei Ligny eintraf, war mit abgelegten Röcken des 1. pommerschen Regiments bekleidet, auf die man in Eile krapprothe Kragen setzte, und brachte also eine vierte Uniform ins Regiment.“ Im weiteren findet sich die Angabe „…Ein Theil der Mannschaft war mit Mützen, ein anderer mit Czakos versehen, welche ein buntes Gemisch aller Proben und Formen boten“. …

Daß die schwarze Uniform der Lützower nicht nur aufgetragen, sondern sogar neu angefertigt wurde ‑ offenbar verband sich mit ihr immer noch ein besonderer Nimbus -, wird durch bei Bock zitierte Angaben nach Friedrich Förster betreffend das Freiwillige Jägerdetachement belegt:
„… Das Kostüm der Ausländer war mitunter etwas abenteuerlich, da die Schneider aus allen Gauen Deutschlands aus der schwarzen Litewka ein Phantasiestück nach ihrer Weise gemacht hatten…“.  Die gleiche Quelle gibt weiterhin an, daß die Mehrzahl des Freiwilligen Jägerdetachements zwar schwarz bekleidet war, der „zweite Transport kam jedoch teilweise in grüner Uniform an".

Fig.  F.  Diese Figur (bei Genty Nr. 21) wird zwar von Richard Knötel als völlig überzeugend angesehen, die Bezeichnung bei Genty „Sergeant de la Landwehr Westphalienne" sei jedoch „gründlich entgleist". Dieser Unteroffizier ist bei weitgehend gleicher Uniform und offensichtlich gleicher Truppenzugehörigkeit zusammen mit einem Soldaten dargestellt, für den die Unterschrift „Infanterie de la Prusse occidentale“ gilt. Wahrscheinlicher aber als Westpreußen ist Ostpreußen, einmal wegen der nicht karmesinroten, sondern hochroten Abzeichenfarbe, zum anderen wegen der Form des Tschakos entsprechend dem damaligen russischen Kiwer, der auch bei der ostpreußischen Nationalkavallerie zu finden ist. Aufgrund dieser Überlegungen gelangt Richard Knötel zu der Auffassung, daß es sich um Soldaten der Ostpreußischen Landwehr‑Infanterie handelt. Der Tschako ist mit gelben Schuppenketten, weißem Landwehrkreuz und schwarz-weißem Nationale versehen. Die relativ kurze Litewka mit gleichfarbigem Aufschlag hat roten Kragen mit Goldtressenbesatz, gelbe Schulterklappen und roten Vorstoß längs der Vorderkante. Knöpfe gelb. Schwarzes Lederzeug mit gelbem Räumnadeln auf ovalem Beschlag mit Kettchen. Der gerollte Mantel ist gelblich weiß. Auffallend sind neben der Tschakoform die weißen Hosen, die sich nach Art der „Knickerbocker“ unter dem Knie bauschen. Sie stecken in weißen Gamaschen. Das Gewehr hat einen ledernen Deckel über dem Feuersteinschloß.

Literatur:
Das Preußische Heer in den Jahren 1814 und 1815. hrsg. vom Großen Generalstabe, Kriegsgeschichtliche Abteilung II, Berlin 1914.

Mittheilungen zur Geschichte der militärischen Tracht, Nr. 11, November 1894.

Geschichte der königlich Preußischen Fahnen und Standarten seit dem Jahre 1807, hrsg. vom kgl. Kriegsministerium, Berlin 1889, S. 76.
 
 
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