Gefechtsberichte - Das Gefecht bei Lüneburg

Unter dieser Überschrift sollen in lockerer Reihenfolge Schlachten- und Gefechtsberichte aus seltenen Publikationen zum Abdruck kommen.

Vorbemerkung zu einem Bericht über das Gefecht bei Lüneburg am 2. April 1813



Im Rahmen der von Scharnhorst entwickelten Pläne zur Entfesselung eines Volkskrieges in Norddeutschland gegen die napoleonische Besatzungsmacht gingen die russischen Streifkorps unter v. Dörnberg, Tschernitschew und v. Benkendorff Ende März 1813 über die Elbe. In Lüneburg hatte die Bevölkerung, unterstützt von einem Pulk Kosaken, die französischen Beamten und Zollbehörden verjagt, ihre alte Obrigkeit wiedereingesetzt, ein Scharfschützenkorps gebildet und mit der Aufstellung eines Landsturms begonnen. Am 28. März wurde eine 200 Mann starke feindliche Kavallerieabteilung von der Division Wathier vertrieben.

Zur Wiedereinnahme Lüneburgs rückte die von General Joseph Morand geführte Division in Stärke von 2.800 Mann - Sachsen und Franzosen, darunter aber nur knapp 100 Reiter verschiedenster Formationen - mit 10 Geschützen am 1. April vor. Die napoleonischen Soldaten konnten nach einem kurzen Kampf die Stadt erneut besetzen. Da bewaffnete Bürger Widerstand geleistet hatten, wurden ca. 50 gefangengenommen, denen nun Erschießung drohte.
Inzwischen waren die Streifkorps Tschernitschew und Dörnberg herangerückt und hatten sich am Morgen des 2. April vor den Toren Lüneburgs vereinigt. Verstärkt durch das preußische Füsilierbataillon des 2. Infanterieregiments (1. Pommersches) unter Major v. Borcke und ein russisches Jägerbataillon, verfügten die Angreifer über insgesamt 2.000 Mann Kavallerie und 1.100 Mann Infanterie sowie 6 Geschütze.

General Morand hatte seine gesamte Streitmacht innerhalb der Stadtmauern versammelt. Starke Kosakenschwärme im Umfeld der Stadt hielt er für unbedeutsam, ließ zu deren Vertreibung seine geringe Kavallerie mit zwei Kanonen vor das südliche Stadttor rücken. Plötzlich griffen aber russische Husaren an, die die französischen Reiter vertrieben und die Kanonen nahmen. Zeitgleich ließ General Dörnberg die anderen Stadttore angreifen. Die östlichen Tore wurden dabei von den beiden sächsischen Bataillonen vom Regiment Max unter Major v. Ehrenstein verteidigt. Ein französisches Bataillon von der 54. Kohorte stand am nordwestlichen Neuen Tor auf einer Anhöhe.

Das preußische Füsilierbataillon Borcke hatte sich unterdessen unter geschickter Ausnutzung des Geländes dem Lünertor genähert. Hier kam es zu einem zwei Stunden währenden harten Kampf mit den sich zäh verteidigenden Sachsen. Dann drangen die Preußen in die Stadt ein und warfen sich den Sachsen, die das Altenbrückertor gegen russische Jäger verteidigten, in den Rücken. Nun kam es zu einem allgemeinen Straßenkampf, in den auch bewaffnete Bürger eingriffen und dabei aus ihren Häusern heraus die Sachsen und Franzosen beschossen. Die Verluste wurden so groß, daß General Morand den Rückzug befehlen mußte. Mit nur noch zwei sächsischen Geschützen zog er sich auf das vor dem Neuen Tor haltende noch intakte französische Bataillon zurück. Der auf den Ort Reppenstädt gehende Rückzugsweg wurde aber von russischen Reitern und vier Geschützen gesperrt. Der inzwischen verwundete Morand dachte aber nicht ernsthaft an Rückzug, sondern drängte in die Stadt zurück, um dort das eine noch kämpfende und abgeschnittene sächsische Bataillon wieder aufzunehmen. Außerdem rechnete er sich im Straßenkampf mit seiner Infanterie gegenüber der zahlreichen gegnerischen Kavallerie Vorteile aus. Mit rund 1.000 Mann säuberte er große Teile Lüneburgs von Preußen und Russen. Nur eine Handvoll preußischer Füsiliere - 150 Mann - leisteten beim Neuen Tore noch ernsthaft Widerstand, weil die restliche verbündete Infanterie durch den Kampf gegen die Sachsen gebunden war. Major Borcke konnte zwar den ersten Angriff mit seinen Füsilieren abwehren, doch dabei verschossen sich diese. Hier kam nun Hilfe in der Not in Gestalt des Mädchens Johanna Stegen, die aus einem französischen Munitionswagen Patronen in ihrer Schürze trotz heftigem Beschuß zu den Füsilieren brachte.

StegenJohanna Stegen im Gefecht von Lüneburg
Während Morands Soldaten vergeblich gegen das Stadttor anrannten, hatten sich in seinem Rücken im Westen der Stadt russische Kavallerie und Artillerie so aufgestellt, daß er völlig eingekreist war. Rasch gebildete Karrees konnten die russischen Reiter kaum abwehren. In dieser Situation wurde General Morand ein zweites Mal - diesmal schwer - verwundet. Daraufhin brach der französische Widerstand zusammen. Die Reste der Division ergaben sich. Über 2.200 Gefangene, 9 Geschütze und drei Fahnen fielen den Siegern in die Hände. Morand starb drei Tage später in Boizenburg an seinen Verwundungen. Die Verbündeten verloren rund 300 Mann, darunter waren 46 Preußen.

Die Gefangenen und die Beute wurden unter Bedeckung über die Elbe bis nach Berlin gebracht. Für das Gefecht bei Lüneburg verlieh König Friedrich Wilhelm III. die ersten Eisernen Kreuze des von ihm wenige Tage zuvor für den Befreiungskampf gestifteten Ordens. Major v. Borcke gilt allgemein als der erste Träger dieser Auszeichnung (für Leipzig erhielt er später das EK 1. Kl. und Ende 1813 das Eichenlaub zum Pour le merite). Am 18. April schrieb der König an ihn: "Durch den Bericht des Generals v. Dörnberg habe ich die Auszeichnung erfahren, mit welcher Sie und Ihr braves Bataillon, auch meine Artillerie, bei Lüneburg gefochten haben. Ich verleihe Ihnen als Zeichen meiner Erkenntlichkeit das Eiserne Kreuz II. Klasse, ernenne Sie zum Oberstleutnant und erwarte mit Ungeduld Ihren ausführlichen Bericht über die Teilnahme meiner Truppen an dem glänzenden Gefecht, um danach auch diejenigen Individuen, die sich noch besonders ausgezeichnet haben, belohnen zu können. Vorläufig machen Sie dies den Truppen bekannt und bezeigen Sie ihnen meine Zufriedenheit, besonders aber denen mir von General v. Dörnberg namhaft gemachten Offizieren." Als weitere Bataillonsangehörige erhielten das Eiserne Kreuz II. Klasse: Premierleutnant v. Kuylenstierna, die Sekondeleutnants v. Trütschler, Milson und Baczko, die Feldwebel Desjardin und Dickmann, die Unteroffiziere Borgess, Dietrich, Gützkow, Sey, Lemke und Voigt, die Füsiliere Lemke und Grossmann, außerdem der Unteroffizier Drosse von der 3. Artillerie-Brigade.

Im Kampf um Lüneburg war auch der erste preußische Freiwillige gefallen. Seine Eltern veröffentlichten in den Berliner Zeitungen folgende Anzeige:

"Unser Sohn Georg wurde am 2. April, in seinem 22. Jahre, in dem ewig denkwürdigen Gefecht in Lüneburg von einer Kugel getroffen. Als freiwilliger Jäger im leichten Bataillon des ersten pommerschen Regiments focht er, nach dem Zeugnis seines braven Chefs, des Herrn Major von Borcke, nahe bei diesem mit Mut und Entschlossenheit, und starb so den Tod für Vaterland, deutsche Freiheit, Nationalehre und unsern geliebten König. Der Verlust eines solchen Kindes ist hart, aber es ist für uns ein Trost, daß auch wir einen Sohn geben konnten zu dem großen, heiligen Kampfe.

Berlin, den 9. April.     Der Regierungsrat Haase und seine Gattin."

Lüneburg war das erste bedeutende siegreiche Gefecht der verbündeten Preußen und Russen. Der Erfolg wurde gegen die Streitmacht eines tüchtigen napoleonischen Generals errungen, der zudem über eine an Infanterie überlegene Truppe verfügte. Der Sieg wurde zwar in ganz Norddeutschland bejubelt, führte aber zu keiner Ausweitung des geplanten Volksaufstandes, da bereits am nächsten Tag starke gegnerische Kräfte unter Marschall Davout herankamen, die schon am 4. April wieder in Lüneburg einrückten. Dörnberg und Tschernitschew zogen sich mit ihren Kräften auf das Ostufer der Elbe zurück.

Dr. phil. Frank Bauer

Nachstehend erfolgt der Abdruck einer Beschreibung des Gefechts von Lüneburg aus der Sicht der daran maßgeblich beteiligten sächsischen Truppen. Entnommen der Publikation "Feldzüge der Sachsen in den Jahren 1812 und 1813 aus den bewährtesten Quellen gezogen und dargestellt von einem Stabsoffiziere des königlich sächsischen Generalstabes" (Clemens Franz Xaver Cerrini de Monte Varchi), Dresden 1821, S. 492 ff.


Das Gefecht bei Lüneburg

am 2ten April 1813, mit besonderer Rücksicht auf den königlich sächsischen Truppentheil.
Die Division Morand, des elften Armeekorps der großen Armee, im Ganzen etwa 2300 Mann stark, bestand aus:

- Drei Kompagnien Douaniers,
- zwei Kompagnien Mariniers,
- einer Marsch-Kompagnie, - Franzosen
- einer Batterie von sechs Geschützen Fuß-Artillerie,
- dreißig berittenen Douaniers,
- zwei Bataillonen Prinz Max, unter der Anführung des Obersten von Ehrenstein, - Sachsen
- der Batterie des Hauptmanns Essenius,
- von sechs Geschützen, (Fuß-Artillerie).

Die Division war, am 22sten März 1813, in Bremen über die Weser gegangen, hatte auf dem linken Ufer derselben bis zum 25sten März kantonniert und brach, am gedachten Tage, nach Ottersburg auf.
Drei französische Kanonen, die Marine-Kompagnie und sämmtliche Kranke, blieben bei der Division des Generals Cara St. Cyr in Bremen zurück. Das Fuhrwesen folgte der Division, welcher sich ein Hauptmann mit fünfzehn Gensd'armen und ein zweiter mit dreißig Pferden, theils Dragonern, theils Chasseuren, vom 20sten und 23sten Regiment anschloß.
Den 26sten März brachen die Truppen auf und marschierten bis Rothenburg an der Wimme und den 27sten März bis Tostedt, welcher Ort, bei der Ankunft der Quartiermacher, eine Kosaken-Patrouille umschwärmt, sich aber zugleich zurückgezogen hatte. Die Mannschaft erhielt Quartiere, mußte aber angezogen bleiben, um auf den ersten Trommelschlag in's Gewehr treten zu können; die Eingänge wurden stark besetzt, und alle Maßregeln getroffen, sich vor einem nächtlichen Ueberfalle zu sichern. Noch Abends spät ertheilte der General den Befehl zum morgenden Aufbruch nach Winsen, mit dem Zusatze, daß er selbst das Ganze leiten und der Oberst Lourd, Chef des General-Stabes, den Vortrupp führen werde.
Die Truppen versammelten sich, dem gemäß, am 28sten März mit Tagesanbruch auf der Straße nach Winsen; der General schickte den Sous-Leutnant Aster vom Infanterie-Regimente Prinz Max und den Sous-Leutnant Grafen von Vitzthum von der sächsischen Artillerie mit vier und dreißig Mann und einigen Gensd'armes, in Begleitung des Kriegs-Kommissairs Viriville und der beiden Schwäger des Generals, die sich, als Kommissaire, in seinem Gefolge befanden, nach Hohlstädt und Bordehude. Es sollte dort fouragirt werden; aber der Marsch unterblieb und die Mannschaft kehrte in ihre Quartiere zurück.

Gegen Mittag ward gedachtes Kommando in dem Dorfe Hohlstedt von den Kosaken angegriffen. Die beiden Schwäger des Generals, ein Fourier und ein Kanonier von der sächsischen Artillerie, ein Korporal und drei Mann vom Infanterie-Regiment Prinz Max fielen in des Feindes Hand, der Rest schlug sich durch und kehrte gegen Abend nach Tostedt zurück, nachdem ihm die Schützen des eben genannten Regiments, von dem Angriff unterrichtet, entgegen gegangen waren.
Den 29sten und 30sten März blieben die Truppen ruhig in Tostedt. Am letzten Tage übersendete der russische Oberst von Tettenborn, welcher sich in Hamburg befand, durch den sächsischen Kanonier, welcher am 28sten in Hohlstedt war gefangen worden, dem Obersten von Ehrenstein die neuesten Hamburger Zeitungen und einige Proklamationen an die Deutschen und Sachsen, welche aber der General Morand in Empfang nahm und vorenthielt.
Nachmittags rückte ein Bataillon der 54. Kohorte, ungefähr 450 Mann stark, unter dem Bataillons-Chef Palis, mit einer vierpfündigen Kanone in Tostedt ein, lagerte an der Straße nach Hamburg und besetzte die Vorposten und Feldwachen gegen Lüneburg hin.
Den 31sten März früh halb fünf Uhr, sollte Generalmarsch geschlagen und dann sogleich abmarschiert werden, doch griffen die Kosaken zu derselben Stunde, sämmtliche Feldwachen an, die lebhaft feuerten. In wenigen Augenblicken war die Division auf der Straße versammelt; nach Verlauf einer Stunde zog sich der Feind zurück und erlitt - wahrscheinlich, zu Folge der Dunkelheit - so wenig als die Angegriffenen, einigen Verlust.
Der Abmarsch verzögerte sich nun bis gegen neun Uhr, während dem der General noch die amtliche Nachricht erhielt, daß der General Vandamme bereits in Bremen angekommen sey und binnen drei Tagen, ein großer Theil seines Korps von Osnabrück aus, daselbst eintreffen würde. Man zog gegen Lüneburg, ein Bataillon französischer Infanterie kam, während des Aufbruchs, in Tostedt an und blieb, nebst der Marsch-Kompagnie und einer französischen Kanone, daselbst zurück. - Während des ganzen Marsches schwärmten, rings um, jedoch in ziemlicher Entfernung, die Kosaken. Sie versuchten die Kolonnen zu beunruhigen, und griffen zu wiederholten Malen den Nachtrupp an, welcher aus 150 Mann vom Regiment Prinz Max, unter dem Hauptmann von Leonhardi und einer sächsischen Kanone unter dem Premier-Leutnant Hermann, bestand. - Einige Kartätschenschüsse reichten hin, sie in Schranken zu halten.
Gegen Abend trafen die Truppen in Karlsdorf ein und lagerten, das Dorf hinter sich lassend, in Schlachtordnung, auf den Höhen zur Linken der Straße nach Lüneburg; der Nachtrupp besetzte den Ort; er deckte die hintern Eingänge desselben, und auch hier versuchten, noch spät am Abend, die Kosaken einen Angriff, der ihnen mißlang.
Man erhielt jetzt die Nachricht, daß Lüneburg wirklich von den Russen besetzt sey und wahrscheinlich morgen gestürmt werden müsse.
 
don-kosakenRussische Don-Kosaken im Frühjahr 1813
 
Den 1sten April mit Tagesanbruch ward der Marsch dahin fortgesetzt, die Schützen des Regiments Max waren an der Spitze; die Masse näherte sich gegen Mittag der Stadt, ohne diesmal von den Kosaken beunruhigt worden zu seyn, bis auf die Weite eines Stückschusses. Einzelne Kosaken umschwärmten sie. Der Vortrupp ward aus dem bedrohten, aber verrammelten neuen Thore, mit Kugeln begrüßt; die Truppen machten Halt, marschirten in Zügen auf und bildeten eine, auf halbe Distanz geschlossene Kolonne. Sie näherte sich, unter dem Feuer des Vortrupps, unterstützt von einem sächsischen und zwei französischen Geschützen, der Stadt; der Major von Ehrenstein unterstützte jenen mit der ersten und zweiten Kompagnie des Regiments Prinz Max und drei Kanonenschüsse reichten hin, um die Kosaken zu verscheuchen. Gedachte Mannschaft drang, nur einen schwachen Widerstand findend, in die Stadt und ging durch selbige, zum Bartewicker Thore wieder hinaus, um die, jenseits der Stadt gelegenen Vorwerke, von einem etwa versteckten Feinde zu reinigen; gleichzeitig erstürmten die Schützen des Regiments, unter dem Sous-Leutnant v. Metzsch, den, zwischen dem Neuen und Rothen- Thore befindlichen alten Wall und drangen ebenfalls in den Ort. Das französische Bataillon der 54sten Kohorte marschirte, die Straße rechts lassend, in Linie gegen Lüneburg auf, das Regiment Prinz Max, an dessen Spitze sich der General Morand befand, rückte, in geschlossener Kolonne, auf der Straße , im Sturmschritte nach.
Am Thore fanden sich zwei getödtete französische Artilleristen und die Leichname mehrerer Bürger; von dem Truppe des Majors von Ehrenstein waren nur zwei Mann leicht verwundet worden und darauf beschränkte sich der ganze Verlust. Die Kosaken hatten sich, sammt einer Anzahl von Revierjägern aus der benachbarten Gegend, während unsers Vorrücken geflüchtet und nur die Bürger einigen Widerstand geleistet.
Man zog mit klingendem Spiele, ungehindert, bis zum Markte fort, wo ein Viereck gebildet ward; die Artillerie und das Fuhrwesen stellte sich innerhalb desselben auf. Die Franzosen marschirten auf den Sander-Platz, der ihnen auch zum Sammelplatz dienen sollte.
Der Nachtrupp, unter dem Hauptmann von Leonhardi beobachtete, den von der Höhe diesseits der Stadt, die Gegend; er rückte, nach sechs Viertelstunden, ebenfalls ein, ließ aber die, ihm zugetheilte Kanone mit der Bespannung und Mannschaft, unter dem Neuen-Thore.
Da auf die ersten eindringenden Soldaten aus den Häusern geschossen wurde, so ging es den Bewohnern der nächsten Umgebung nicht zum Beßten. Nach schnell erfolgter Rückkehr zur Ordnung trat jedoch, auf Befehl des Generals Morand, eine, aus den Angesehensten der Bürgerschaft bestehende Kommission zusammen, welche die Polizei handhaben, die Stelle des entwichenen Magistrats versehen und für die Einquartierung der Truppen sorgen sollte. Es wurden derselben die verlangten Schutzwachen, (gegen sechzig Mann) willfährig zugestanden.
Während dieser Verfügungen blieben die Truppen, einige Stunden lang, auf dem Markte und dem Sander-Platze; die Gewehre wurden angesetzt und mehrere Einwohner brachten, unaufgefordert, Erfrischungen. Die Beweise der Mäßigung hatten hatten aber dennoch auf die Masse wenig Eindruck gemacht und ihre Wuth schien keine Grenzen zu kennen, indem man noch, sowohl am Markte, auf die, außer dem Gewehre sich befindenden Soldaten, als auch in den verschiedensten Straßen auf die, unter den Hausthüren stehenden Schutzwachen, von den Dächern und aus den Fenstern schoß. Zum Glücke trafen die Kugeln nicht und die Ruhe kehrte allmälig zurück.

Jedes Thor, mit dem Ausschluß des Neuensülz-Thores, welches ganz ungedeckt blieb, ward mit einem Offizier und fünfzig Mann besetzt und überdies eine starke Polizei-Wache auf dem Markt gehalten. Um fünf Uhr war die Mannschaft einquartirt und um acht Uhr Abends fanden sich sämmtliche Truppen auf den angewiesenen Lärmplätzen ein, auch ward jetzt, unter dem Lüner- und dem Bartewicker-Thor ein sächsisches Geschütz und im Rothen, von Douaniers besetzten Thore, eine französische Kanone, ohne Bespannung, aufgestellt.
Am 2ten April, früh sechs Uhr, versammelte sich die Besatzung wie gestern; die neuen Wachen traten auf und da man, seit Tagesanbruch die Kosaken wieder in der Umgebung wahrnahm, so erhielten die alten Wachen den Befehl, bis auf weiteres ihre Posten nicht zu verlassen. Außerdem ward auch eine Reserve von einem Offizier und hundert Mann auf dem Schlosse zusammengezogen, die übrige Mannschaft kehrte in ihre Quartiere zurück.
Bald darauf fielen, fast von allen Thoren, einzelne Schüsse, und gegen neun Uhr sogar, unter dem neuen Thor ein Kanonenschuß, was uns aber um so weniger beunruhigte, da dem ungeachtet die abgelösten Wachen allmälig zurückkehrten und man allgemein behauptete, daß bloß die Kosaken ihre gewöhnlichen Neckereien trieben. Doch versicherten viele Zurückgekommene einstimmig, daß die Stadt von jenen umringt sey und sie den ganzen Vormittag mit ihnen geplänkelt hätten.
Von zehn Uhr an sollte die Bürgerschaft, auf Befehl des Generals Morand, alle Waffen, bei Todesstrafe, in dessen Quartiere abliefern, der Befehl blieb aber großentheils unbeachtet.
Gegen elf Uhr kam der Major von Ehrenstein, welcher die Posten visitirt hatte, mit der Nachricht zurück, daß starke Reiter-Kolonnen gegen die Stadt und vorzüglich gegen das Rothe und Neusülz-Thor im Anzuge wären; auch vermehrte sich, schon bei seinem Eintreffen auf dem Markte, das Feuern unter allen Eingängen; ja unter dem Lüner-Thore fiel ein Kanonenschuß. Auf geschehene Meldung an den Grafen Morand ward der Generalmarsch geschlagen. Das französische Bataillon hatte um neun Uhr Musterung gehabt und sollte nun, unverzüglich, auf der Straße nach Karlsdorf, abmarschieren, wurde aber durch den Angriff des Feindes daran verhindert, und rückte auf die Höhe vor dem Neuen-Thore. Das, unter diesem gestandene sächsische Geschütz begleitete selbiges und so behauptete es seine Stellung bis zu dem Rückzuge der Sachsen aus der Stadt.
Die Weitläufigkeit der Quartiere machte, daß sich das Regiment Prinz Max nur langsam versammeln konnte; die Trainsoldaten befanden sich, eben als der Generalmarsch geschlagen wurde, im Magazin, um Futter zu fassen, und so ward das Feuer unter den beiden, bereits angegriffenen Thoren, schon ziemlich heftig, ehe die Besatzung derselben Unterstützung erhalten konnte, weil der Feind mit Nachdruck stürmte.
Die Reserve, unter dem Premier-Leutnant von Döring, ließ der Major von Ehrenstein, sogleich bei seiner Rückkehr, nach dem Rothen-Thore abgehen; ein sächsisches Geschütz ward in das Oldenburgische Thor gebracht.
Noch war das Regiment Prinz Max nicht völlig beisammen, als die Offiziere aus dem Lüner- und Altebrücker Thore meldeten, daß sie heftig vom Feind bedrängt würden und Beistand verlangten; worauf der Premier-Leutnant von Zschüchen mit hundert Mann zur Unterstützung des Sous-Leutnants Hennig ins Lüner- und der Sous-Leutnant von Bourk mit hundert Mann, zur Unterstützung des Premier-Leutnants von Brochowski, ins Altebrücker-Thor eilte. Der Hauptmann von der Planitz rückte mit hundert Mann, zur Ablösung des Premier-Leutnants von Kötteritz - ( weil sämmtliche Thore vom ersten Bataillon besetzt worden und das zweite zur Reserve auf dem Markte zurückbleiben sollte) - In das Bartewicker, der Hauptmann von Leonhardi mit einer gleichen Anzahl, zur Verstärkung des Sous-Leutnants O' Byrn ins Neue Thor und der Sous-Leutnant von Vitzthum, mit fünfzig Mann, nach dem Rothen Thore ab.

Die Schützen wurden gegen zwölf Uhr, zur Deckung einer, auf der Höhe vor dem Altebrücker-Thore aufgestellten, französischen Kanone, unter dem Kapitän Barrisett abgeschickt. Sie vereinigten sich, da diese bei ihrer Ankunft bereits von den Kosaken genommen war, zur Vertheidigung des Thores mit der dortigen Besatzung, auch eilte der Sous-Leutnant Graf von Vitzthum mit der sächsischen Kanone aus dem Oldenburgischen nach dem Altebrücker, um dem heranströmenden, weit überlegenen Feinde das Eindringen zu erschweren. Der Sous-Leutnant Dierschen erhielt einen Schuß in den Schenkel.
Der Premier-Leutnant von Zschüschen und Sous-Leutnant von Bourk fanden, bei ihrer Ankunft unter dem Lüner- und Altebrücker-Thore, gegen welche der Hauptangriff geschah, ihre Kameraden bereits im heftigsten Kampfe. Das Lüner-Thor ward durch das preußische, erste pommersche Füselier-Bataillon, unterstützt von drei Kanonen, - das letztere durch ein Bataillon des zweiten, ebenfalls mit drei Kanonen versehenen russischen Jäger-Regiments gestürmt und das Gefecht mit jedem Augenblicke ungleicher, da der Feind weit überlegen, das äußerste wagte. Dem General Morand schien es nun endlich einzuleuchten, daß mehr als ein Kosaken-Haufe, daß Artillerie und Fußvolk vor der Stadt und der Angriff ein ernster, geregelter sey. Wiederholte Gesuche um abermalige Verstärkung, bewogen ihn, mit seinem Gefolge nach dem Lüner-Thore zu reiten, wo er sich von der Hartnäckigkeit des Kampfes überzeugte und durch den Major von Bose zwei Kompagnien des, auf dem Markte zurückgebliebenen Theiles vom zweiten sächsischen Bataillon, unter dem Major von Lindenau, herbeiholen ließ. Diese kamen nun, zum Unglück, in dem Augenblick an, wo das Thor eben von den Preußen genommen und die Besatzung desselben gefangen oder getödtet worden war. Der General befahl daher, übereilt genug, den Rückzug schleunigst anzutreten; die Feinde folgten auf dem Fuße, das Gefecht ward mörderisch und beide Theile erlitten hier einen sehr beträchtlichen Verlust. Der General Morand empfing eine Contusion am Backen, der Oberste von Ehrenstein einen Schuß in den Oberschenkel, der Sous-Leutnant von Berge einen ähnlichen und man gerieth so dicht mit dem Feinde zusammen, daß ein preußischer Offizier sich der Fahne des zweiten Bataillons bemächtigte, welche ihm aber durch den Sous-Leutnant von Milkau wieder entrissen und er selbst verwundet wurde.
Es konnte der Artillerie-Leutnant Kunze, welcher, während dieser Vorgänge, das Anspannen der beiden, noch zurückgebliebenen Haubitzen auf dem Markplatz besorgte, von dem Rückzuge des Regiments und daß der Feind selbigem auf dem Fuße folgte, nur wenige Augenblicke vor dessen Eintreffen auf dem Markte, benachrichtigt werden. Er ließ sofort eine Haubitze abprotzen, die an dem Eingange der Gasse stand, durch welche der Feind eindrang, und empfing ihn mit einigen wirksamen Kartätschen-Schüssen, die dem zweiten Bataillon wenigstens Zeit verschafften, sich über den Mrakt - wo dem General Morand ein Pferd unter dem Leibe erschossen wurde - nach dem Neuen-Thore zurückzuziehen. Der Hauptmann von Leonhardi schloß sich hier mit der Besatzung des Thores, an die Masse.

Bei diesem Rückzuge verlor das Regiment Prinz Max und die sächsische Artillerie die meisten Leute, da die feindliche Reiterei und Infanterie, eben als jene abzogen, aus allen Gassen auf den Markt vordrang, überdies die Einwohner aus den Häusern auf die Sachsen schossen, und dadurch mehrere tödteten oder verwundeten; auch ein großer Theil gefangen wurde.
Der General, welchen jetzt außer einigen Gensd'armen nur noch die Hauptleute Pascalis und Courmont umgaben, befahl, auf der Höhe hinter der Stadt, eine Stellung zu nehmen. Wenige Wagen konnten ihm folgen, die erwähnte Haubitze mußte, der Eile wegen, mittelst der Prolonge, entfernt werden, und ging, da diese durch das Anfahren an einen Stein zerriß, noch in der Stadt verloren; nur die andere Haubitze und die, unter dem Neuen-Thore aufgestellt gewesene Kanone begleitete das Regiment auf jene Höhe; die übrigen drei Kanonen fielen schon früher unter den Thoren, die sie verteidigen halfen, in Feindes Hand.
Am Altebrücker-Thore, welches, wie gedacht, zugleich mit dem Lüner angegriffen wurde, war der Kampf noch hartnäckiger. Dort bleib der Befehl zum Rückzuge unvernomen; Offiziere und Gemeine leisteten deshalb, nach wie vor, den kräftigsten Widerstand und behaupteten den Platz so lange, bis ihnen die, durch das Lüner-Thoe eingedrungenen Feinde, von daher in den Rücken kamen, und der General bereits mit dem Reste des Korps die Stadt verlassen hatte, so daß der Rest dieses braven, sich zwecklos aufopfernden Häufchens, der Gefangenschaft nicht entgehen konnte. Das Feldstück hatte den größten Theil der Munition verschossen und mehrere Kanoniere waren gefallen oder verwundet; sein Offizier half ihre Stelle mit versehen.
Das Bartewicker-Thor ward später als das Lünische und Altebrückische, doch von außen durch Reiterei und hinterwärts durch die, in's Lüner-Thoe gedrungenen Preußen angegriffen, zudem auch von der vorliegenden Anhöhe und im Rücken, mit Kanonen beschossen. Die dortige Besatzung verteidigte sich auf das standhafteste. Der Hauptmann von der Planitz, ein Unteroffizier und mehrere Gemeine blieben todt auf dem Platze, der Sous-Leutnant Aster, ein Unter-Offizier und zehn Gemeine wurden verwundet, drei Pferde bei der Kanone erschossen und Kanoniere und Trainsoldaten dadurch undienstfähig gemacht; dennoch konnte der Feind die brave Besatzung unter dem Sous-Leutnant von Drandorf, ihrem einzigen, noch dienstfähigen Offizier nicht verdrängen, dieselbe ergab sich nur dann erst, als sie sich gänzlich abgeschnitten sah und schon auf allen Punkten das Feuer nachließ.
Vor dem Rothen-Thore hatte der Premier-Leutnant von Döring, obgleich nur von Kosaken bedrängt, doch einen schweren Stand, weil sein Trupp durch einige Posten, die derselbe, zur Beobachtung des Feindes, vor- und seitwärts aufstellen mußte, beinahe bis auf vierzig Mann zusammen geschmolzen und ein Theil der daselbst stehenden Douaniere in das Neuensülz-Thor abgegangen waren. Zum Glücke thaten die, gegen ihn aufgefahrnen zwei Kanonen nur wenig Schaden; die Kosaken ließen sich, leichter als anderwärts das stürmende Fußvolk, zurückhalten, auch gelang es ihm, dasselbe, bis zum letzten Augenblick und nachdem der Feind schon in der Stadt war, noch immer zu behaupten, obschon derselbe durch den Sous-Leutnant von Vitzthum nicht unterstützt werden konnte, weil dieser, auf Befehl des Obersten Lourd, innerhalb des Thores stehen bleiben mußte, wo er endlich gefangen wurde. Hierauf drang eine Abtheilung preußischer Infanterie aus der Stadt gegen das Rothe-Thor an, welches der Premier-Leutnant von Döring, der in diesem Augenblicke von außen wenig oder nichts zu fürchten hatte, bestimmte, das innere Gatterthor zu sperren, hinter dem er sich nun so lang vertheidigte, bis ein französischer Offizier ihn mit dem abgeschlossenen.

TschernyschewGeneral der Kavallerie Fürst Alexander Iwanowitsch Tschernitschew (1785-1857)Waffenstillstande bekannt machte, dessen Veranlassung weiter unten bemerkt werden soll. Zu gleicher Zeit erhielten dort auch die Preußen den Befehl, den Angriff einzustellen und so blieben beide Theile, unter dem Gewehr, einander so lange gegenüber stehen, bis ihnen ein Adjutant des russischen Generalmajors von Benkendorf die Nachricht von der Gefangennehmung der Gesammtmasse überbrachte und dem Premier-Leutnant von Döring ebenfalls nöthigen wollte, sich mit seiner Mannschaft zu ergeben. Dieser mochte jedoch, als ein erfahrener, pflichtgetreuer Offizier den Worten des russischen Offiziers nicht unbedingt trauen; er verfügte sich demnach, in dessen Begleitung, zu dem Generalmajor von Tzschernizscheff und von diesem zu dem Obersten von Ehrenstein, welcher wegen seiner Wunden in ein Haus gebracht worden war, vernahm hier überall die Bestätigung des unglücklichen Ausganges und unterwarf sich nun dem gemeinsamen Schicksale.
Wir kehren jetzt, nach der kurzen Erzählung der Vorfälle unter den Thoren, zu dem, noch übrigen Theile der Morand'schen Truppen zurück, welche sich glücklich aus der Stadt gezogen hatten. Das Infanterie-Regiment Prinz Max, kaum noch 480 Mann stark, bildete, sobald es, nebst den beiden sächsischen Geschützen, die erwähnte Anhöhe erreicht hatte, nach erfolgtem Aufmarsche eine, mit Zügen, rechts formierte Angriffs-Kolonne, in der Entfernung von ungefähr tausend Schritten vom Thore, zur Rechten der Straße nach Tostedt. Auf dem rechten Flügel dieser Kolonne ward die eine, noch übrig gebliebene sächsische Kanone, unter dem Sous-Leutnant Kunze, so wie die Haubitze, unter dem Premier-Leutnant Herrmann auf den linken Flügel derselben gestellt.
Das französische Bataillon, welches die Höhe, bis zur Ankunft der Sachsen, auf dieser behauptet hatte, mit einem Zwischenraume von ungefähr zweihundert Schritten, zur rechten derselben auf, und formirte, mit ihnen zugleich, die Angriffs-Kolonne. Eine französische Kanone befand sich auf dessen rechten Flügel. -
In dieser Stellung erwartete man, nach dem beide Flanken und der Rücken hinlänglich durch Schützen gedeckt waren, den Angriff der, in starken Kolonnen, links und rechts uns umgebenden feindlichen Reiterei, welche aus wenigstens 2500 Kosaken bestand. Hinter dem, im Rücken befindlichen Dorfe Reppenstädt, auf der Straße nach Tostedt, fuhr jetzt eine reitende Batterie auf, deren Feuer die Truppen empfing, als der General selbige auf gedachter Straße zurückführen wollte; sie waren in diesem Augenblicke schon ganz umzingelt und jeder Rückzug abgeschnitten, was sich hier, im offenen Felde, leicht übersehen ließ.
Schon während des Aufmarsches auf der Höhe, hatte der Feind vier Kanonen vor dem Neuenthore aufgestellt und fing nun an, die Stellung zu beschießen. Das russische Isuinsche Husaren-Regiment bedrohte, unter dem Schutze desselben, die Linien; es ward aber durch ein heftiges, zweckmäßig angebrachtes Katätschenfeuer, aus den wenigen geretteten Kanonen, unter dem Artillerie-Leutnant Kunze, mit gewaltigem Verlust zurückgewiesen und kehrte nicht wieder; auch schreckte das Geschütz, in Verbindung mit dem Feuer der Schützen, die Kosaken von ähnlichen Versuchen ab.
Die Kanonade dauerte, über eine Stunde lang, rastlos fort; der General Morand schien unentschlossen, ob er seine Stellung noch länger behaupten, oder zurückgehn und sich einen Weg durch das gedachte Dorf bahnen solle ? Dies erhellte aus mehrern, entgegengesetzten Bewegungen, die aber, trotz dem Feuer aus zwei Batterien in der Front und im Rücken, mit einer seltenen Ruhe und Kaltblütigkeit, unter klingendem Spiele, in musterhafter Ordnung ausgeführt wurden. Um drei Uhr endlich, beschloß derselbe, das Neue-Thor anzugreifen und sich der Stadt wieder zu bemächtigen. Er setzte sich, mit hochgeschwungenem Hute und mit dem oft wiederholtem Ausruf: "Vive l'Empereur!" an die Spitze der Kolonne des Regiments Prinz Max und führte selbige, im Sturmschritte, durch den heftigsten Kugelregen, grade gegen das Thor an. Der Feind zog die Kanonen in etwas zurück und so drang sie, unter seinem Kartätschen- und kleinem Gewehr-Feuer, bis dicht vor dasselbe - hier aber kam es zum Handgemenge, weil der weit überlegene Feind Stand hielt.
Der kleine Ueberrest des stürmenden Regiments konnte sich höchstens auf 250 Mann belaufen, da der Major von Ehrenstein, bei dem Abmarsche, zur Unterstützung der Schützen, mit der driten und fünften Kompagnie, unter den Hauptleuten von Leonhardi und von Rohrscheidt, auf die linke Flanke geschickt worden war, um die, gegen selbige anrückenden Kosaken abzuhalten. Das französische Bataillon brach zwar mit dem Regimente zugleich gegen das Thor auf, war ihm aber nicht unmittelbar gefolgt, sondern hatte sich hinter selbigem weg, nach dem rechten Flügel des Majors von Ehrenstein gezogen, von wo aus es, ganz langsam, gegen die Stadt vorrückte. An diesen Augenblicken hing das Gelingen oder der Untergang; die beiden sächsischen Regiments-Adjutanten ritten daher, der eine zur Rechten, der andere zur Linken eines, auf der Höhe befindlichen Gartens, zurück, um jene, ganz außer dem Bereiche des Gefechts befindliche Kohorte zur Unterstützung der stürmenden Sachsen herbeizuholen; doch sie versagte sich! -
Der Artillerie-Leutnant Kunze rückte mit den beiden sächsischen Geschützen, ob schon an der Haubitze die Deichsel zerschossen und ein Pferd verwundet, zwischen der Kohorte und dem linken Flügel des Regiments, so schnell als möglich nach und beschoß das Thor in der rechten Flanke. Die Kanone ward bald darauf demontirt, ein Pferd und ein Trainsoldat erschossen; sie bleib daher, als die Sachsen vom Thore abgedrängt wurden, zurück; doch war die Haubitze jetzt noch gerettet, aber, durch den Bruch der Maschinen-Kette unbrauchbar gemacht.
Zu dieser Zeit fiel der General Morand, tödtlich verwundet, der Oberst von Ehrenstein erhielt einen zweiten Schuß (in den Hals) der Hauptmann Pascalis einen Schuß durch die Brust, der Adjutant von Eberstein zwei Schüsse in den Fuß. Es blieb dem Obersten von Ehrenstein, der, trotz seiner beiden Wunden, dennoch ausdauerte, auch nach dem Falle des Generals das Kommando übernahm, jetzt aber mit seiner braven Truppe unterliegen mußte, nichts übrig, als, wo möglich, einen ehrenvollen Vergleich abzuschließen. Er schickte den Hauptmann Erdtel, als Parlamentair, an den General-Leutnant Dörrenberg in die Stadt, um Unterhandlungen anzuknüpfen. Jener ward sehr artig empfangen und ein freier Abzug mit Wehr und Waffen und allem Gepäck bewilligt, auch sogleich die nöthigen Veranstaltungen getroffen, die, auf mehreren Punkten Kämpfenden davon zu benachrichtigen, damit sofort der Waffenstillstand eintrete. Da sich aber der Oberste von Ehrenstein auf das Aeußerste vertheidigt hatte und nur erst dann, als jede Hoffnung auf Erfolg verschwand, mit Einstimmung der noch übrigen Offiziere, zu kapituliren begann, so war es bei diesem hitzigen Kampfe nicht möglich, in solcher Geschwindigkeit alle Posten schnell genug von der vorseyenden Unterhandlung zu unterrichten. Zudem erklärte der Oberst Lourd, welchen der Hauptmann Erdtel, zufällig, in der Nähe des Neuensülz-Thores traf - wo die Douanen, ein Trupp der Kohorte und die überzählige Mannschaft der französischen Artillerie aufgestellt waren - vorerst mit General Morand Rücksprache nehmen zu müssen und so wurde das Regiment, schon während der Unterhandlung, mit den Waffen in der Hand gefangen.
Der General Dörrenberg wollte, seinem Worte treu, demselben wenigstens das Heergeräthe zurückgeben, doch war dies unmöglich, da sich, bereits zu Anfange des Gefechts, der Pöbel Lüneburgs in selbiges getheilt hatte; auch läßt solches der russische Bericht über die Gefangennehmung der Morand'schen Truppen, im 42sten Stücke der Berliner Zeitungen, durchaus unerwähnt. - In wieferne endlich die, in gedachtem Bericht aufgeführte Trophäen-Zahl zu berichtigen seyn möchte, ist aus der gegebenen Darstellung leicht zu ersehen.
Vor dem Neuen- und unter den übrigen Thoren so wie in der Stadt, war nun alles, was dort gestanden und gefochten hatte, in Feindes Hand, nur auf der Höhe dauerte der Kampf noch fort. - Jetzt zog sich auch die französische Kohorte, zur Seite der Straße in geschlossener Kolonne zurück; der Major von Ehrenstein setzte, sammt der dritten und fünften Kompagnie, mit jener in gleicher Höhe bleibend, den Rückzug längs der Straße fort; der Leutnant Kunze mit der einzigen, noch übrigen Haubitze und dem Reste der Artillerie, schloß sich an. Die Flanken waren durch französische Schützen gedeckt, welche ein so lebhaftes Feuer gegen die Kosaken unterhielten, daß sie, trotz ihrer Stärke, entfernt blieben. Dem ungeachtet war der Kampf zu ungleich; man schloß die Truppen von allen Seiten, immer enger ein; das Dorf Reppenstädt war, wie bereits erwähnt, durch eine Batterie ganz unzugänglich gemacht, die Wege durch selbiges abgeschnitten; die Munizion fast gänzlich verbraucht und die Hülfe fern, ja, unmöglich!
Der Major von Ehrentein versammelte daher, als die Mannschaft jene Höhe wieder erreicht hatte, die, noch übrigen sächsischen Offiziere, um mit ihnen zu berathschlagen, was in dieser äußersten Lage für den Dienst und die Truppen zu thun sey ? - Sie kamen überein, sich, wenn die Kohorte Beistand leistete, bis auf den letzten Mann zu wehren und deshalb der Major derselben, als den ältesten Offizier, von ihrem Entschluß unterrichtete und dessen Weisung zu erwarten. Dem Hauptmann von Leonhardi ward dieser Auftrag. Statt einer Antwort, rufte der Major, welcher schon einen Schuß durch den Schenkel erhalten hatte, ohne den Beauftragten anzuhören - "Vive l'Empereur! Pas de charge!" - Die französischen Trommler schlugen Sturmschritt und der Rückzug ward sofort, jedoch nur ungefähr 50 bis 60 Schritt weit, fortgesetzt, während dem die französischen Soldaten den Schützen so laut als möglich zuriefen - "Ne tirez pas! Ne tirez pas! " In wenigen Minuten hörte daher das Feuer der rechten Flanke auf und die Kosaken flogen herbei. - Jetzt waren auch die Schützen auf der linken Flanke und in der Front genöthigt, das Feuer einzustellen und ehe noch ein Gedanke über den möglichen Ausgang dieses unglücklichen Gefechtes - in dessen Laufe jeder sächsische Soldat, ohne Ausnahme, seiner Pflicht genügte und die eigene Meinung unter den Gehorsam derselben gefangen nahm - gedacht werden konnte, war der Ueberrest der Truppen von ein Paar Tausend Kosaken dermaßen umringt, daß jeder Vor- und Seitenschritt, unmöglich fiel und nur die Ergebung übrig blieb,
Das Benehmen der Kosaken verdient hier eine Ehren-Erwähnung, indem sie die Gefangenen, fast durchgehends, sehr menschlich behandelten und mit Schonung entwaffneten. Wohlthuende Erscheinungen für Unglückliche, die zu fechten, nicht zu klügeln berufen waren und denen das Bewußtseyn der erfüllten Pflicht die empörenden Unbilden, welche die nächste Folgezeit über sie brachte, verschmerzen und verachten half.

Orthographie, Grammatik und Interpunktion der Originalvorlage wurden beibehalten.

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